BioWaWi-KI: Potentiale des Einsatzes der Künstlichen Intelligenz zur Sicherung von Biodiversität und Ökosystemleistungen in Schutzgebieten der Wasserwirtschaft
Am Beispiel der Wasserschutzgebiete (WSG) der Gemeinde Bühl sollen die Potentiale des Einsatzes der Künstlichen Intelligenz (KI) zur Sicherung der Biodiversität und Ökosystemleistungen (ÖSL) ermittelt werden. Die entwickelten Konzepte sollen von Anfang an derart ausgelegt werden, dass sie auf andere Regionen übertragbar sind. Dieses Projekt baut auf dem bereits bestehenden BioWaWi-Projekt auf, in dem umfangreiche botanische, faunistische, bodenkundliche, hydrologische, hydrogeologische und meteorologische Daten zu den Biotopen der WSG gesammelt und Modelle zum Biotop- und Artenschutz sowie zum Wasserhaushalt angewendet werden. Ziel ist es, den wasserwirtschaftlichen Unternehmen, die hinsichtlich Wassermenge und -qualität auf die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme ihrer WSG angewiesen sind, Werkzeuge an die Hand zu geben, den Verlust von Biodiversität und ÖSL in ihren WSG frühzeitig zu erkennen, um entsprechende Managementmaßnahmen, wie z.B. gezielte Bewässerungen zum Überbrücken längerer Dürreperioden in Abhängigkeit des Grundwasserstandes, durchführen zu können. Diese Fördermaßnahme ermöglicht die Analyse der Möglichkeiten mittels KI, derartige Verluste frühzeitig zu identifizieren. Dabei ermöglicht KI i) überregionale Informationsquellen in eine solche Früherkennung effizient einzubeziehen, ii) Daten unterschiedlichen Formats in Bezug auf zeitliche und räumliche Skalen theoretisch in Echtzeit auszuwerten, iii) nicht offensichtliche Datenlücken zu erkennen und diese zu vervollständigen und iv) als digitales Substitut zu zeitaufwendigeren mechanistischen Modellen schnell fundierte Ergebnisse zu liefern.
Forschungsaufgaben
- Welche Zusammenhänge lassen sich durch KI zwischen meteorologischen Bedingungen, Bodentyp, Bodenfeuchte und Biotoptyp ermitteln? In einem weiteren, komplexeren Schritt sollen die Zusammenhänge des Ist-Zustandes zwischen Arten/Biotopen/ÖSL und Klima, Boden, Geologie, Relief, Grundwasser, Oberflächengewässer, Landnutzung dargestellt werden.
- Wie detailliert lässt sich mit Hilfe der KI ein Frühwarnsystem zum Trockenstress der Biotope/Arten am Beispiel der WSG des Projektes BioWaWi entwickeln?
- Lassen sich biodiversitätsrelevante Interpolationen von Punktdaten und deren Zeitreihen (Wetterund Bodenfeuchtesensoren, Artenaufnahmen, Fotos, …) mittels KI optimieren und verschneiden?
- Lässt sich mittels KI-Methoden aus Fotos ein Ist-Zustand der Biotopstabilität abbilden und können auf diese Weise kleine Änderungen (z.B. von Artdominanzen in der Vegetation) frühzeitig erkannt werden und Aussagen zum Wasserhaushalt abgeleitet werden?
- Inwieweit können mittels KI aus Bodenfeuchteverhältnissen, NDVI und durch Verschneidung mit den am Boden erhobenen Daten Aussagen zur Biotopstabilität und damit zur Artenzusammensetzung ermittelt werden?
- Welche Daten sind zukünftig in welcher zeitlichen und räumlichen Auflösung sinnvoll zu erheben, um die Potenziale der KI maximal für die Biodiversitätsforschung zu erschließen und zu nutzen?
- Mit der entwickelten KI-Methodik sollen auch Simulationen (what-if) berechnet werden, indem die beteiligten Experten mögliche Szenarien vorgeben.
- Was benötigen lokale und regionale Akteurinnen und Akteure, um die (Zwischen-)Ergebnisse des
- Projekts für zukünftige Umsetzungsmaßnahmen zu nutzen und wie kann das Projektteam mit seiner Kommunikationsstrategie auf diese Bedarfe reagieren und seine Untersuchungsziele bestmöglich erreichen?
- Können die ermittelten Ergebnisse direkt genutzt werden, um Handlungsempfehlungen für das Management der WSG abzuleiten, die dann in das UMS (ISO 14001) integriert werden?
Vorhabensbeschreibung
Biodiversität impliziert nicht nur Artenvielfalt als solche, sondern auch die Vielfalt der jeweiligen Lebensräume. Das Wirkungsgefüge zwischen Arten beziehungsweise der Lebensgemeinschaft und ihrem Lebensraum, ist höchst komplex. Böden müssen bestimmte Eigenschaften im Hinblick auf Nährstoffe, Wasserhaushalt, Gefüge oder Puffervermögen aufweisen und das Klima muss bestimmte Voraussetzungen bezüglich Temperatur, Strahlung oder Niederschlag erfüllen. Zudem treten die Arten in gegenseitige Wechselwirkungen, die für das Gleichgewicht in dem jeweiligen Ökosystem unabdingbar sind. Anthropogene Einflüsse, wie Nutzungsänderungen in der Forst- oder Landwirtschaft, sowie der Klimawandel, der längere Trockenperioden mit sich bringt, wirken sich zunehmend negativ auf Biotope und ihre Artengemeinschaften aus. In den im Projekt betrachteten Wasserschutzgebieten (WSG) werden auch grundlegende Ökosystemleistungen (ÖSL) für die Wasserversorgung beeinflusst - Grundwassererneuerung und Grundwasserqualität. Daher werden die WSG als Teil der Produktionskette der wasserwirtschaftlichen Unternehmen betrachtet, die diese in ihrer Funktionsweise zu sichern haben. Wasserwirtschaftliche Unternehmen verfügen grundsätzlich auch über die finanzielle Ausstattung, um Biotope, Artenvielfalt und ÖSL ihrer WSG zu monitoren und zu bewahren. Allerdings fehlt ihnen bisher die Infrastruktur und das Wissen hierzu. Der interdisziplinäre Ansatz des Biotop- und Artenschutzes erfordert die gleichzeitige Betrachtung von botanischen, faunistischen, pedologischen, klimatologischen, geologischen und hydrologischen aber auch von anthropogenen Aspekten. Forschungsansätze in diesem Rahmen müssen sich daher großen Datenmengen stellen, die zudem sehr heterogen bezüglich Einheiten, Skalen, zeitlicher Auflösung oder Formate sind. Dabei liegen die Daten meist nur sektoral vor, zum Beispiel in Form einer Wasserbilanz oder einer Artenkartierung. Für einige Arten liegen aut-, syn- oder demökologische Untersuchungsergebnisse vor, welche helfen grundlegende Funktionsweisen von Ökosystemen zu verstehen. Jedoch bleibt die Übertragung dieser Ansätze in die Fläche und die jeweiligen spezifischen Vor-Ort-Situationen bisher schwierig bis unmöglich. Hier setzt das vorliegende Projekt an: Mit Hilfe von Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) sollen die klassischen sektoralen Grenzen in der Biodiversitätsforschung überwunden und Frühwarnsysteme für den Verlust von Biodiversität und ÖSL in den WSG entwickelt werden. Dies ermöglicht wasserwirtschaftliche Unternehmen die Förderung von Biodiversität und ÖSL in die Managementpläne ihrer WSG zu implementieren. Ziel des BioWaWiKI-Projektes ist es, ein umfassendes Verständnis für den Zusammenhang von Wasserhaushalt und Biodiversität in den WSG der Gemeinde Bühl (Balzhofen, Landmatt, Kappler Wald) zur Entwicklung2 von Schutzmaßnahmen für Biotope, Arten und ÖSL zu entwickeln. Abbildung 1 zeigt die Lage der WSG der Gemeinde Bühl, das Biotopuntersuchungsgebiet sowie das Modellgebiet der hydrogeologischen Modellierung des Projektes “Biodiversität und Wasserwirtschaft” (BioWaWi), auf das BioWaWiKI aufbaut. Durch eine Kombination aus umfassender Datenerhebung, Datenanalyse und KI-Methoden werden die Auswirkungen von Umweltveränderungen (u.a. Trockenperioden, (extreme) Wetterereignisse) auf die Biodiversität und den Wasserhaushalt analysiert.
Bezüglich der ausgewählten Projektregion bedeutet dies, dass in diesem Projekt ein besonderes Augenmerk auf die Vernetzung von Arten und Biotopen/Habitaten gelegt wird (NAWI, AGW). In den Bühler WSG kommen mehrere seltene und bedrohte Biotoptypen vor, die nach der Roten Liste der Biotoptypen Baden-Württembergs als gefährdet oder stark gefährdet eingestuft und zudem von Flächenverlust und Rückgang der Biotopqualität betroffen sind. Darunter fallen naturnahe Bachabschnitte, feuchtegebundene Waldtypen (z.B. Schwarzerlen-Eschen-Wälder, Waldziest-Hainbuchen-Stieleichen-Wälder und Bergkiefern-Moorwälder), Nasswiesen und Pfeifengras-Streuwiesen. An die Lebensraumtypen sind oftmals stark gefährdete und geschützte Tierarten gebunden. So sind der Dunkle und der Helle Wiesenknopf-Ameisenbläuling wichtige FFH-Arten im Untersuchungsgebiet. Diese Arten sind auf Feuchtwiesen mit Vorkommen des Großen Wiesenknopfs sowie spezifischer Ameisenarten als Nahrungsgrundlage für die Raupen angewiesen. Eine weitere hochgradig gefährdete Art, die im Untersuchungsgebiet vorkommt, ist Duftschmids Glanzflachläufer, der ebenfalls eine höhere Bodenfeuchte benötigt. Darüber hinaus wurden mehrere bedrohte Wildbienen-Arten im Untersuchungsgebiet identifiziert, darunter elf Arten, die laut der Roten Liste Baden-Württemberg als gefährdet oder stark gefährdet gelten. Mehrere dieser Arten sind auf spezifische Pflanzenarten feuchter Standorte angewiesen, z.B. auf den Gewöhnlichen Teufelsabbiss (Skabiosen-Sandbiene) oder den Heilziest (Späte Ziest-Schlürfbiene). Abbildung 1 Projektgebiet der Biodiversitätsforschung in Wasserschutzgebieten der Stadt Bühl bei Baden-Baden, Baden-Württemberg.3 Weiterhin kommen im Untersuchungsgebiet die Helm-Azurjungfer und zwei Quelljungfern-Arten vor, die auf das Vorhandensein von geeigneten Bachläufen angewiesen sind. Obwohl weniger gefährdet, sind die im Untersuchungsgebiet vorkommenden Feuersalamander, Bergmolche, Wechselkröten und Grasfrösche ebenfalls wichtige Zeigerarten für die Stabilität der Feuchtbiotope, die unter den Bedingungen des Klimawandels mit seinen längeren Dürreperioden verstärkt unter Druck geraten. Satellitengestützte Spektralaufnahmen (IPF) werden als Informationen herangezogen, um den Zustand der Biotope und der Bodenfeuchte flächenhaft zu ermitteln und in die zu entwickelnden KI-Methoden für die Szenarienentwicklung einzubeziehen. Hierbei werden das satellitengestützt gemessene saisonale NDVI-Muster (AGW) durch bodengestützte automatisch fotografierende Kamerasysteme ergänzt (UP). Als Teil der Anwendungsbearbeitung ist vorgesehen, die bestehenden numerischen Modelle (vor allem das gekoppelte regionale Grundwasser- und Bodenhaushaltswassermodel) in die KI-Bearbeitung einzubinden. Im Ergebnis sollen die relevanten Einflussfaktoren der Wasserhaushaltsmodelle auf die Bewertung und Verbesserung der Biodiversität übertragen werden. Dieser Bearbeitungsschritt wird maßgeblich durch JIG in enger Zusammenarbeit mit OK durchgeführt. Das entwickelte KI-Methodenwerkzeug ermöglicht die Bewertung von Biotopstabilitäten und Artenvorkommen mit Fokus auf den Folgen des Klimawandels mit veränderten Wasser- und Feuchteregimes. Neben den Auswirkungen des Klimawandels (Dürre, Hochwasser, Temperatur, …) gehen hier auch wasserhaushaltsrelevantes und landschaftsbezogenes Nutzungsverhalten mit ein. Beispielsweise kann die Auswirkung von natürlicher und künstlicher Bewässerung in Abhängigkeit von klimatischen Szenarien auf die Biodiversität abgeschätzt werden. Es werden Szenarienberechnungen ermöglicht sowie die Früherkennung von Änderungen der Artvorkommen, Biotope und ÖSL. Durch die Einbindung regionaler und bundesweiter Datensätze ist eine Übertragung auch auf WSG und Landschaften anderer Regionen möglich. Relevante Akteursgruppen und die lokale Bevölkerung werden in das Projekt einbezogen, zum einen, um wertvolle Hinweise auf die lokalen bzw. regionalen Gegebenheiten sowie ganz konkret um Daten zu gewinnen, zum anderen, um das Verständnis für die Projektziele und -inhalte sowie die Verwertbarkeit der Projektergebnisse zu erhöhen und die praktische Relevanz der Forschung für den Naturschutz und die Bevölkerung herzustellen. Dies soll dazu beitragen, dass praktische Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität und der ÖSL im Einzugsgebiet der Stadtwerke Bühl und darüber hinaus auch über die Projektlaufzeit hinaus entwickelt und vorangetrieben werden.